Dazugehören…
- barbatom7
- 1. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Aug. 2024

Johannes- Passion neu gedacht, Konzert in der Kirche und Jairos und mein Highlight des Tages oder sogar des Wochenendes. Wir haben keine Pläne, sind mehr oder weniger allein und so tut Abwechslung not. Alle, die wir für heute einladen wollten, haben abgesagt.
Das ist das Schwerste in der Begleitung Jairos; seine Isolation zu ertragen an Wochenenden und in den Ferien; die fehlende Integration auszuhalten und wie er seine Freizeit ohne Freunde und Verwandte (die alle weit weg wohnen) gestalten muss.
Deshalb überlege ich mir nicht lange, ob das Konzert für ihn, einen 14 -jährigen Buben im Rollstuhl passt und ob sein Dasein dem mehrheitlich gut bürgerlichen Volk, das da hereinspaziert, behagt. Oder den Veranstaltern, die noch einen Rollstuhl inmitten des vollen Kirchensaals platzieren müssen.
Der Sigrist begrüsst uns zumindest herzlich und weiss sofort einen Platz, der wohl am besten wäre für Jairo und mich.
Während mein Blick über die mehrheitlich grau behaarte Menschengruppe vor uns schweift, stelle ich mir die Frage nochmals, ob Jairo grad hier hingehört: aus seiner Perspektive (die klassische Chormusik ist in der Regel nicht der Hype bei Teens) und aus der Perspektive des sozialen Settings, in dem das Konzert hier stattfindet.
Denkt man in Inklusionsvisionen erübrigt sich der 2. Teil der obigen Frage. Überall sind wir alle irgendwie anders.
Und dennoch gibt es Andersartige, die es in unserer leistungsorientierten Gesellschaft deutlich schwerer haben in ihrer Eigenart einbezogen und integriert leben zu können. Jairo zum Beispiel fällt sogar in seiner Schule für körperlich behinderte Kinder und Jugendliche teilweise aus dem Rahmen.
Während ich so über die Köpfe und Mäntel vor mir schaue, nach vorne ins geschmückte Kirchenschiff mit den gemalten Bildern und dem roten Blumenstrauss und weiter bis zu den bunten Kirchfenstern, beginnen Geiger und Bläserinnen ihre Instrumente zu stimmen. Der Rollstuhl Jairos quietscht bei jeder Bewegung und ich zweifle noch einen Moment lauter, ob wir inmitten des schon jetzt andächtig lauschenden Publikums am richtigen Ort sind.
Dann spricht der Dirigent des Orchesters und Chors das Eingangswort. Er erzählt u.a. von der Umkehrung der Dinge, wie der ans Kreuz Genagelte, Gebrochene zum hoch Erhobenen wurde.
Unvermittelt sehe ich Jairo auch herausgehoben aus dem, was ihn bricht und niederdrückt in seinem Leben und wie wertvoll sein Dasein ist inmitten der zwar älteren, aber doch unversehrt wirkenden Menschengruppe. Wie wichtig seine Gegenwart und diejenige von beeinträchtigten oder nicht neurotypischen Personen ist; besonders da, wo gesunde Menschen ihren Zustand manchmal als selbstverständlich betrachten und sich vielleicht als über Schwächere, Zerbrochene, Andersartige erhoben erleben?
Jesus hat Massstäbe auf den Kopf gestellt: Kleines wurde gross, Starkes schwach und Schwaches stark.
Deshalb Jairo, grad nochmals ein trotzkräftiges Jawohl: Du, wir alle sind hier grad am richtigen Ort!
Comments